Das Recruiting wurde in den letzten Jahren immer komplexer. Die Gründe dafür liegen vielleicht in neuen technischer Möglichkeiten, in einer immer arbeitsteiligeren und zunehmend globaleren Gesellschaft, in einem veränderten medialen Konsumverhalten und in dem immer ausgeprägteren Streben nach Individualismus.

Einen ähnlich brachialen Umschwung haben wohl die Recruiter im 11. Jahrhundert erleben müssen, als die Gesellschaft durch eine aufkommende Urbanisierung, durch Innovationen in der landwirtschaftlichen Pflug- und Anspanntechnik und durch politische Entwicklungen radikal verändert wurde.

In der Antike und Spätantike gab es überschaubare zwei Stände: Freie und Unfreie. Die Personalallokation verlief so, dass man seine Talente überwiegend durch Raubzüge und sonstige kriegerische Aktivitäten rekrutierte. Der Candidate Experience und dem Cultural Fit kamen dabei keine große Bedeutung zu – dafür war man in Sachen Diversity-Management selbst für heutige Verhältnisse relativ weit.

Im aufkommenden Frühmittelalter konnte man dann schon von vier Ständen sprechen: Der Klerus als intellektuelle Elite, die Fürsten und Adligen, die freien Bürger und Handwerker und die unfreien Bauern. Hier steckten das Recruiting und vor allem auch die Personalentwicklung noch in ihren Kinderschuhen: Eine Karriereleiter gab es kaum. Man sprach gemeinhin von einer „gottgewollten Ordnung“ und die Vakanzen wurden überwiegend durch Erbfolge besetzt.

Als dann das „Saeculum obscurum“ mit der dazu gehörigen klerikalen Krise im Jahr 1046 ein Ende fand, durchlebte die Gesellschaft unter der Regentschaft der erfolgreichen Stauferkönige einen fundamentalen Wandel: Die einsetzende Verstädterung (ein erster Funke der Demokratie) und eine bessere Versorgung mit Lebensmitteln brachten eine differenzierte Wirtschaft hervor. Die Lebenserwartung stieg, es gründeten sich erste Zünfte und Gilden und die Handwerks- und Handelsbetriebe nahmen an Fahrt auf, was einen regen Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal mit sich brachte.

Das Recruiting hatte damals aber relativ wenige Möglichkeiten seine Stellen anzupreisen, zum einen war nahezu jedes Talent damals ein Analphabet und die mündliche Übermittlung von Nachrichten breitete sich mit maximal 50 Kilometer pro Tag aus. Das heißt, wenn der Hamburger Hafen potenzielle Mitarbeiter vom Münchner Flughafen abwerben wollte, brauchte er damals über 15 Tage für die Übermittlung der Stellenanzeige.

Noch dramatischer war, dass mehrere Hungersnöte und die Pest-Epidemien (ab etwa 1335) zu einem dramatischen Fachkräftemangel führten. Gerade in spezialisierten Berufen im Handwerk und im kaufmännischen Sektor war dem Fachkräftemangel kaum Herr zu werden.

Die einzige Möglichkeit war oftmals, die benötigten Mitarbeiter selbst zu zeugen. Klingt einfach, war aber problematisch: Ein Thema war die „Time to Hire“. So braucht eine Stellenbesetzung heute vielleicht 100 Tage – beim selbstgemachten Mitarbeiter mehrere Jahre. Auch sind der eigenen Zeugungskapazität zweifellos Grenzen gesetzt. Ein anderes Problem liegt darin, dass man die Kandidaten mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten nicht wirklich bedarfsgerecht zeugen konnte. So gibt es bis heute, auch wenn man manchmal vom „Helden zeugen“ spricht, zum Beispiel keine verifizierten Zeugungstechniken für die Erschaffung von Buchhaltern.